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Wege zum Selbst

Heute möchten wir über Wege zum Selbst sprechen – also darüber, wie Menschen den Zugang zu sich selbst finden können. Dabei auch, wie man andere inspiriert, ebenfalls diesen Zugang zu finden.

Es geht um Anregungen, die den Prozess unterstützen, bei sich selbst anzukommen. Und um das Bewusstsein, dass dieser Weg individuell ist.

 Marc Melchert: Heute sprechen wir über Wege zum Selbstfinden. Stefan, Suzuki Roshi, Herr Jung – wie würdet ihr beschreiben, was es bedeutet, bei sich selbst anzukommen? Für mich geht es darum, die Beziehung zu dem, was uns beschäftigt, zu verstehen und bewusst zu machen.

Stefan Büchi: Ich stimme zu. In meiner Arbeit mit der PRISM-Methode fokussiere ich auf die Beziehung des Patienten zu seiner Krankheit. Diese Beziehung sichtbar zu machen, gibt Menschen eine neue Perspektive und ermöglicht Veränderung.

Suzuki Roshi: In der Zen-Praxis suchen wir kein „Selbst“, sondern üben uns darin, den Moment so zu erleben, wie er ist – ohne Anhaftung an ein „Ich“ oder ein „Objekt“. Es geht nicht um das Verändern, sondern um das vollständige Sein.

C.G. Jung: Und doch, Suzuki-san, erleben Menschen innere Konflikte und Projektionen. Für mich ist der Weg zum Selbst ein Prozess der Individuation – ein Bewusstwerden der unbewussten Anteile und ihrer Integration ins Bewusstsein. Die Beziehung zu diesen Anteilen prägt unser Leben.

Melchert: Das erinnert mich an das Konzept der Beziehungsqualität. Ob es eine Beziehung zu einem Problem, einer Krankheit oder einem Menschen ist – die Qualität dieser Beziehung ist oft der blinde Fleck. Erst wenn sie bewusst wird, kann sie sich wandeln.

Suzuki Roshi: Doch was ist diese „Qualität“, wenn nicht eine Wertung des Geistes? Im Zen beobachten wir die Beziehung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten. Wir sehen, wie sich diese trügerischen Trennungen auflösen. Das ist der wahre Wandel.

Büchi: Ich sehe das als Ergänzung. Im PRISM-Bild zeigt sich, wie der Mensch sich positioniert. Diese Distanz zu verstehen, eröffnet Freiräume. Oft spüren die Patienten erstmals: „Ich habe eine Beziehung zu meiner Krankheit.“ Das gibt ihnen die Möglichkeit, Akteur statt Opfer zu sein.

Jung: Ein entscheidender Schritt. Ich habe oft erlebt, dass Menschen, die ihre Projektionen auflösen, in Kontakt mit dem Archetyp des Selbst kommen. Es ist ein Moment, in dem sie erkennen: „Ich bin nicht nur ein Ich, sondern auch Teil eines größeren Ganzen.“

Melchert: Das ist faszinierend. Für mich entsteht das Selbst in der Auseinandersetzung mit dem „Dritten“ – der Beziehung. Wenn ich verstehe, wie ich mit einem Problem oder einer Person umgehe, entsteht ein Raum für Veränderung. Dieser Raum ist wie die weiße Fläche in deinem PRISM, Stefan.

Suzuki Roshi: Aber ist das Selbst nicht schon immer da? Vielleicht ist es weniger ein Raum der Veränderung als ein Loslassen von Illusionen. Wenn wir nicht mehr versuchen, das Selbst zu suchen, finden wir es.

Büchi: Ich frage mich, ob das nicht zwei Perspektiven derselben Wahrheit sind. Deine Haltung, Suzuki-san, erinnert mich daran, dass es auch im PRISM nicht nur um Veränderung geht, sondern um das Wahrnehmen, was ist. Aus dieser Wahrnehmung heraus entsteht oft von selbst eine Dynamik.

Jung: Genau. Es ist wie die Individuation. Wenn wir die Schattenanteile sehen, verlieren sie ihre Macht. In der therapeutischen Beziehung spiegelt sich oft, was im Unbewussten verborgen liegt. Diese Beziehung wird zum Raum, in dem das Selbst Gestalt annimmt.

Melchert: Es geht also immer wieder um die Qualität der Beziehung – sei es zur Krankheit, zum Problem oder zum Therapeuten. Aber Suzuki-san, wie siehst du die Rolle der Beziehung in der Zen-Praxis?

Suzuki Roshi: Beziehung entsteht, wenn ich die Trennung zwischen „Ich“ und „Du“ sehe. In der Zen-Praxis geht es darum, das „Ich“ und das „Du“ loszulassen. Dann bleibt nur das Sein – das Selbst offenbart sich in der Leere.

Büchi: In der PRISM-Methode ist es oft das Gegenteil. Wir zeigen die Trennung explizit – als Bild, als Distanz. Doch genau das hilft, die Dynamik zu verstehen. Aus der Klarheit der Trennung kann Heilung entstehen.

Jung: Das erinnert an die Integration der Gegensätze. Selbstfindung ist immer auch ein Tanz zwischen Trennung und Einheit. Wenn wir beide Pole wahrnehmen, entsteht ein neues Gleichgewicht.

Suzuki Roshi: Oder eine neue Illusion. Doch in diesem Tanz liegt die Schönheit des Lebens. Vielleicht ist der Weg zum Selbst weniger ein Ziel als ein fortwährender Ausdruck des Augenblicks.

Melchert: Und vielleicht ist das Selbstfinden genau das: eine Bewegung zwischen Bewusstheit, Beziehung und Sein. Wir nähern uns an, ohne je anzukommen.

 

Es Schrübli locker ?
Mir händ für alles es Wärkzüg

Marc Melchert

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