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Tosca places a crucifix on the chest of Scarpia, whom she has just killed.

Il bacio di Tosca

Emantipation und Aussöhnung bedingen sich.

Eine fiktive Gesprächsrunde zum Thema: “Vatermord“ und Aussöhnung. Ein indischer Guru, Master Yoda, Tyrion Lennister, Giacomo Puccini, ein Psychoanalytiker und ein Psychotherapeut diskutieren über den psychologischen Begriff Vatermord.

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Sie bringen Beispiele aus der Oper "Tosca", den Film "Star Wars", der TV-Serie "Game of Thrones", und ein Fallbericht aus der Psychotherapie. Die Geschichte, die Politik, die Kultur und die therapeutische Praxis sind voll von Beispielen, bei denen Emanzipation oder ein Generationenwechsel nur mit Mord (wörtlich/bildlich) möglich wird. Die Referenten kommen in der Diskussion zum Ergebnis, dass es für eine nachhaltige Emanzipation auch eine innere Aussöhnung braucht.

Tosca (erdolcht Scarpia): Das ist Toscas Kuss
Scarpia: Helft mir …. ich sterbe
Tosca: Er ist gestorben …. jetzt kann ich ihm verzeihen
Giacomo Puccini (Tosca)

Im Leben eines jeden Jungen kommt der Augenblick der grössten Freude und des grössten Kummers, wenn er den Vater zum ersten mal besiegt.
Aus der Serie “Frasier“. S03 E18: “Schach dem König“

GASTGEBER: (steht auf und schaut in die Runde) Ich begrüsse alle unsere Referenten Master Yoda, Ramana und Therapeut zum heutigen Salon. Ganz besonders begrüsse ich unsere heutigen Ehrengäste und Referenten Giacomo Puccini und Tyrion Lennister. Wissenschaftlicher Ehrengast ist heute Analytiker°. Wir sitzen heute zusammen, um über das Thema Vatermord° zu diskutieren. Das Thema wirkt auf den ersten Blick erschreckend, es hat aber eine reichhaltige Geschichte. Seit Jahrhunderten ist es in der Kulturgeschichte fest verankert. Häufig wird das Thema verknüpft mit dem Motiv des Heldenweges. In der klassischen Kultur kennen wir das Thema aus Mythologie, Literatur und Oper, und aktuell begegnen wir dem Thema im Film und in Fernsehserien. Wichtig ist das Thema natürlich auch in der heutigen Psychotherapie, eine moderne Form des individualisierten Heldenweges. Heute vereinen wir diese verschiedenen Welten durch die Auswahl der Referenten.

GIACOMO: (an alle gerichtet) Danke für die Einladung! Ich habe mich sehr gefreut auf diesen speziellen Abend und es ist mir eine grosse Ehre, an diesem Anlass teilnehmen zu können. (leise) Ich weiss aber gar nicht, warum gerade ich zur einer Tagung mit diesem Thema eingeladen wurde. Was habe ich oder mein Werk mit dem Thema Vatermord zu tun? Kann mir das jemand erklären?

GASTGEBER: (lachend zu Giacomo) Das ist wegen deiner Tosca. (an alle) Giacomo Puccinis Oper Tosca° hat eine relevante Stelle, die unserer Meinung nach zum heutigen Thema sehr gut passt. Die Oper ist unbeschreiblich schön, die Musik ja sowieso, aber auch die Geschichte ist spannend und ergreifend. Die Geschichte bietet alles, was man sich wünscht: Unterhaltung, Drama, emotionales Chaos und Anregung zur Empathie für die Figuren. Deine Librettisten Giacosa und Illica wären heute sehr gefragt für Drehbücher von TV-Serien. Im heutigen Gespräch geht es um eine ganz besondere sehr berühmte Stelle aus deiner Oper, die zum Thema des Vatermordes passend ist: „Il bacio di Tosca“.

ANALYTIKER: Ja, ich habe die Oper extra nochmals angehört. Vor allem hervorragend finde ich die entscheidende Stelle nach dem Mord! Dieser Moment ist für mich ganz zentral und gefällt mir besonders gut.

GASTGEBER: Analytiker, nimm nicht die Pointe vorweg. (lächelnd) Es geht jetzt nicht darum, die Übertragungsgefühle hochzujagen, lass uns das Thema ruhig angehen. (in die Runde) Beim Analytiker ist es eindeutiger, warum er zu diesem Thema eingeladen wurde. Für die Psychoanalyse und speziell für die Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo spielt der Vatermord eine zentrale Rolle. Wir freuen uns darauf, von dir (zeigt zu Analytiker) später mehr zu erfahren. (Pause, dann schaut er zu Therapeut) Klären wir mal zuerst die Definitionen, die zum Verständnis nötig sind.

THERAPEUT: Nach Definition ist ein Patrizid° die Tötung des eigenen Vaters durch Sohn oder Tochter, durch Mord oder durch Unfall. Unter dem psychologischen Begriff Vatermord wird sowohl der reale Mord, als auch ein symbolischer Mord verstanden. Das Wort „Mord“ kommt von „zum sterben bringen“, bei unserem Thema ist dann gemeint: „auflösen, befreien von“. Das kann der richtige Vater oder eine Vaterfigur sein, genauso aber – im übertragenen Sinne – auch eine Institution oder Struktur. Symbolischer Mord bedeutet hier die Befreiung aus einer Abhängigkeit von einer „Vaterfigur“. Es geht um die Befreiung von einer Person, Figur oder Struktur, von welcher man sich abhängig fühlt oder von der man real abhängig ist. Die Abhängigkeit kann bewusst oder unbewusst sein, sie kann real oder gefühlt sein, so oder so die Autonomie wird eingeschränkt, von aussen (real) oder innen (gefühlt).

GASTGEBER: (zu Therapeut) Du überhäufst uns mit Informationen, aber ich hoffe das wird im Laufe der Diskussion alles klarer und verständlicher. Aber mach mal weiter mit deinen Ausführungen.

THERAPEUT: Es geht um das Überwinden von uns einschränkenden Figuren, die uns nicht loslassen wollen. Ein Vater, welcher die Libido und den Autonomiewunsch des Kindes einschränkt oder missbraucht. Ein Lehrer, ein Mentor oder ein Prediger, welcher als Gegenleistung Unterwerfung verlangt ….

YODA: (zu Therapeut schielend) …. und auch Referenten, die am Salon zu lange Monologe führen ….

THERAPEUT: …. (nickt und lacht, kurze Pause) Solche Figuren müssen wir überwinden, erst danach können die eigene Libido frei gelebt und die Autonomie entfaltet werden.

GASTGEBER: Aber bitte erkläre uns noch, was es braucht, bis es zu einem Mord kommt.

THERAPEUT: Wurde man von diesem Vater oder dieser Vaterfigur jeweils beschämt oder gekränkt, dann entstehen Aggressionen. Diese Aggressionen verhindern eine normale Ablösung. Geschieht die Kränkung immer wieder, dann ist die Gefahr gross, dass sich die Aggressionen in ein Bedürfnis nach Rache umwandeln.

YODA: (nickt) Stetig Gekränkte zu Rächer werden, die zerstören müssen.

THERAPEUT: (nachdenklich und mit Pausen) …. Ja, ja! …. manchmal den Vater …. oder stellvertretend eine Vaterfigur …. oder sich selber …. ein Vatermord „by Proxy“.

YODA: (Mahnfinger zu Therapeut) Mit seiner speziellen Brille wieder mal nur die neurotischen Varianten der Therapeut beschreibt. Auch Etwas sehr Positives eine Vaterfigur sein kann, ein guter Lehrer, ein wohlwollender Mentor (überlegt) ….

RAMANA: (fällt Yoda ins Wort) …. Oder ein gütiger Zen-Meister.

YODA: (lacht) Ja genau, danke Ramana …. oder ein schweigender Guru …. selbstverständlich auch diese positiven Vaterfiguren irgendwann man loslassen muss.

THERAPEUT: Da geht es dann aber nicht um ein Beseitigen der Vaterfigur, sondern um das Überwinden derselben. Das ist im guten Fall ein natürlicher Prozess, der ohne Aggression und ohne zerstörerischen Kräfte ablaufen kann. (mit lauter Stimme und betonend) In so einem Prozess ist Trauer und Stolz im Vordergrund und nicht Aggression.

YODA: (schaut bedächtig vor sich hin) Ein Abschied, ein Trauerprozess mit viel Dankbarkeit. (in die Runde schauend und betont) Wenn dankbar wir sein können, frei der Abschied uns macht!

THERAPEUT: Da bin ich mit Yoda einverstanden! War aber die Beziehung schwierig und von Beschämungen geprägt, wird auch die Ablösung zu einem schwierigen Prozess und im Vordergrund sind dann Gefühle von Wut oder sogar Aggression.

YODA: Abgrenzungswunsch zu Schuldgefühlen führt, Aggression sogar zu realer Schuld hinführen kann. Das verunmöglicht die Ablösung, denn durch Schuld erst recht verstrickt man bleibt.

RAMANA: Es stellt sich die Frage, welcher Teil von uns sich ablösen will.

THERAPEUT: Je nach dem, von wem ich mich ablösen will, treten andere Anteile meiner Person in Aktion.

Die Beziehungsqualität prägt den Trennungsprozess.

GIACOMO: (schüttelt den Kopf) Jetzt habt ihr mich überfahren, langsam …. langsam, der Reihe nach. In meiner Oper ist diese Stelle nach ungefähr 1 ½ Stunden und ihr seid jetzt schon nach wenigen Sätzen in der Mitte des dramatischen Geschehens. Geht es beim Thema Vatermord nicht einfach um die sogenannte ödipale Thematik? Dazu kann ich aber nichts sagen, meine Tosca bringt nicht ihre Mutter aus Rivalität um den Vater um! Es ist ja nicht einmal ihr Vater, den sie umbringt; es ist ein Fremder, den sie erdolcht. Genauer gesagt ist es der Polizeichef von Rom, dem sie gnadenlos ausgeliefert ist.

>ANALYTIKER: Genau, das ist es eben gerade. Der Polizeichef ist eine Vaterfigur, in dessen Abhängigkeit sie geraten ist. Er will ihre grosse Liebe zerstören, um sie dann für sich zu gewinnen und um sie zu missbrauchen.

YODA: Auf der dunkle Seite der Macht er ist.

THERAPEUT: Er ist ein sadistischer, übermächtiger Missbraucher, von dem sie sich befreien muss.

>GASTGEBER: Giacomo, erzähl uns die entscheidende Stelle.

GIACOMO: Der Polizeichef, mit Namen Baron Scarpia, will Toscas körperliche Liebe als Belohnung für die Freilassung ihres gefangenen Geliebten. Nach langem hin und her und nachdem er sie mit der Folter von ihrem Geliebten und dessen Schreien erpresst, gibt sie seinem Verlangen nach und willigt ein. Scarpia nähert sich und sagt:

„Tosca, endlich bist du mein“

Er umarmt sie und küsst sie. Gleichzeitig nimmt Tosca einen Brieföffner vom Tisch und erdolcht ihn. Dabei schreit sie:

„Das ist Toscas Kuss“ …. „Stirb du Verdammter!“

GASTGEBER: Ich zeige euch Toscas Kuss in einem kleinen Filmausschnitt aus der Mailänder Scala:

Filmausschnitt: „Tosca“, Oper von Giacomo Puccini. Aufnahme aus dem Teatro alla Scala, Milano. Riccardo Muti, Maria Guleghina, Leo Nucci. (© 2002, Euroarts. Rai-Trade)


GIACOMO: Zugegeben, sie umarmt und küsst den um einiges älteren Mann, während sie ihn gleichzeitig erdolcht, das macht es ein bisschen komplizierter als bei einem normalen Mord. Den Kuss gibt sie aus einer erzwungenen Situation, nicht aus Liebe, und der Mann ist ihr aus seiner Machtposition heraus deutlich überlegen. Ihr seid also der Meinung, das gehe in die Richtung eines Vatermordes?

THERAPEUT: (nach einer kurzen Denkpause, räuspernd) Ich sehe hier Übermacht und erzwungene Intimität …. und dann die Befreiung durch einen Mord …. diese komplexe Beziehung und die Handlung sind gut geeignet, für eine genaue Betrachtung dessen, um was es uns im heutigen Salon geht.

ANALYTIKER: Die genaue Definition des Verwandtschaftsgrades ist unwichtig. Ich möchte betonen, es geht vor allem um den Moment des Dolchstosses, oder noch genauer gesagt um das, was danach geschieht.

GIACOMO: (mit erregter Stimme) Nebenbei sei noch erwähnt: dieser Kuss mit dem gleichzeitigen Dolchstoss wird heute noch „Toscas Kuss“ genannt, und dieser Kuss wurde weltberühmt.

GASTGEBER: Übrigens gibt es mit diesem Namen auch einen wunderbaren Dokumentarfilm „Il bacio di Tosca“, des Schweizer Regisseurs Daniel Schmid aus dem Jahr 1984. Er porträtiert die Bewohner eines Altersheimes für ehemalige Opernsänger und Musiker in Mailand (Casa Verdi). In einer Szene singen zwei Pensionäre diese Stelle der Oper, daher der Name des Filmes. Ich zeige euch später noch einen kleinen Filmausschnitt daraus.

GIACOMO: (strahlend) Seht ihr, mein Kuss ist berühmt.

RAMANA: Keine Eitelkeiten, gehen wir der Reihe nach. Wer spricht als Nächster?

YODA: (mit wachem Blick) Aus dem Film „Star Wars“ ich etwas erzählen will. Im Film meine Aufgabe junge Jedi-Ritter auszubilden ist. Auf dem Planeten Dagobah schicke ich meinen Schüler Luke Skywalker in eine unterirdische Höhle. Dort der dunklen Seite der Macht begegnen er soll. Luke fragt mich:

„Was werde ich dort finden?“
„Nur was du mit dir nimmst!“

Das heisst, was er mit sich nimmt, ist sein eigener Anteil an der dunklen Seite der Macht. Das Übermächtige erkennen, diesem entgegentreten und dieses überwinden er muss. Erwachsen damit er werden kann. In der Höhle ihm sein Vater in der Form einer Vision begegnet, und diesen im Kampf besiegen er muss. Alles in seinem tiefsten Inneren geschieht, und in die äussere Welt hineinprojiziert es wird. Die dunkle Seite der Macht er in sich hat, und nur so diese er bewusst überwinden kann.

GASTGEBER: Ich zeige euch Yoda und Luke auf Dagobah in einem kleinen Filmausschnitt dieser Stelle aus dem Film „Star Wars Episode V“:

Filmausschnitt: „Star Wars“, Heldenepos von Georg Lukas. Ausschnitt aus der Folge V: Das Imperium schlägt zurück. (© 1980 Georg Lukas)


THERAPEUT: Was Yoda die gute und die dunkle Seite der Macht bezeichnet, ist in meinem Konzept das Über-Ich. Dieses Über-Ich nimmt er mit in die Höhle. Diesen inneren Vater muss er überwinden, sei es im Guten oder sei es im Kampf. Dadurch und nur dadurch kann er sein eigenes Selbst entfalten. (Pause) Also auch in diesem Teil des Filmes ist es ja nicht ein Vatermord im wörtlichen Sinne, sondern im übertragenen Sinn. Er bekämpft die Projektion seines Vaters, die internalisierten Anteile, und nicht den Vater in Personam.

YODA: Ja, ganz recht Du hast. Mit seinem Laserschwert den Vater er enthauptet, und danach der Kopf des Vaters am Boden liegt. Als genauer Luke hinschaut, sein eigenes Gesicht wird erkannt.

THERAPEUT: So wird sehr deutlich gezeigt, dass er den internalisierten Vater, das heisst sein eigenes Über-Ich, überwindet.

JODA: Seine Initiation das ist.

RAMANA: Das ICH nähert sich dem SELBST.

GASTGEBER: Nebenbei sei gesagt: Wem dieser Satz gefällt, empfehle ich den Salon Auf den Spuren des verlorenen Kontext zu lesen.

GIACOMO: (schaut in die Runde) Ist das, was Luke erlebt, eher eine ödipale Thematik als bei meiner Tosca?

THERAPEUT: Es ist nicht so einfach. Das Thema im Film ist nicht die Rivalität mit dem Vater um die Liebe der Mutter. Es geht darum, dass dieser Vater die Macht und die Versklavung bedeutet. Die Befreiung von ihm ist im wahrsten Sinne eine Emanzipation, eine Befreiung aus der Versklavung. Es geht um das Erwachsenwerden unabhängig von der Liebe zur Mutter. Luke macht einen klassischen Heldenweg.

YODA: Es geht zusätzlich auch um das Retten der Gemeinschaft vor dem Gewaltherrscher, es ist nicht nur ein persönliches Begehren, es geht um etwas Grösseres: die Familie, die Gemeinschaft.

THERAPEUT: (nickend) Wenn eine zweite Person, eine Familie, eine Gemeinschaft oder ein Volk durch das Überwinden einer Vaterfigur oder eines Tyrannen erlöst wird, dann ist es erst recht eine Heldentat.

GASTGEBER: Yoda, was sagst Du zum neusten Film „Star Wars VII“ aus dem Jahre 2015? Da gibt es ja auch einen Vatermord.

YODA: Der Film Freude macht, aber säkularisiert er ist. Ein schönes Märchen ohne Gebet.

THERAPEUT: (schaut zu Yoda) Weil ohne Yoda er ist? (alle lachen) Spass beiseite, ich bin mit Yoda einverstanden, dieser neue Film macht Freude, auch ohne den ursprünglichen spirituellen Kontext. Der Vatermord in diesem Film scheint nicht eine Etappe im Rahmen eines Heldenweges zu sein, aber wir werden sehen, ob in späteren Episoden mehr Hintergrund dazu erzählt wird. Es kommt mir eher vor, als würde Kylo Ren eine Opfergabe an den geliebten Imperator machen, im Sinne einer Unterwerfungsgeste. Der eigentliche Vatermord geschah, als der junge Mann in die Gefolgschaft der Feinde seines Vaters ging. Der ohnmächtig und hilflos erlebte Vater wird durch eine allmächtig erscheinende, dogmatische Vaterfigur ersetzt. Das ist auch eine Form von Vatermord: die eigene Herkunft und Prägung wird verleugnet. Man will an der aktuell geltenden Macht beteiligt sein, dafür opfert man die Loyalität zur der eigenen Persönlichkeit.

Um Teil der Machtstruktur zu werden, opfert man die Loyalität zur eigenen Person.

YODA: Das Imperium seinen Kindern keine eigene Identität erlaubt.

GASTGEBER: (nachdenklich) In einer Zeit, wo imperiale Macht und Rebellion globalisiert sind, ist das eine sehr brisante und aktuelle Deutung.

THERAPEUT: Ja, genau: „aktuell“. Das ist im neuen „Star Wars“ Film gut gelungen: er ist aktualisiert! Die Hauptfiguren sind moderne Identifikationsfiguren, die einen sehr spannenden Entwicklungsprozess durchleben. Ich freue mich auf die Fortsetzung.

YODA: Recht du hast auch Finn aus einer Diktatur ohne Mord sich befreit, einfach durch seine Flucht. Lieber Therapeut, auch ohne Vatermord man erwachsen werden kann. (vor sich hin murmelnd) Und ohne Psychotherapie.

GASTGEBER: Ich übernehme das Stichwort Psychotherapie. Mir ist aufgefallen, dass in vielen modernen Filmen und Serien jemand in Psychotherapie geht. Es scheint mir, die Psychotherapie ist salonfähig geworden.

YODA: Heldenweg ohne Schwert und Schweiss!

THERAPEUT: (lachend) Lieber Yoda: Wir kämpfen nicht mit Drachen und gegen Armeen, aber wir müssen auch etwas erkennen, aushalten und überwinden: den Widerstand. (bedeutungsvoll) Die Angst vor den Gefühlen, welche wir aus Notwendigkeit verdrängt haben. Auf diesem Weg schwitzen wir weniger, wir leiden aber gleichermassen.

Die Psychotherapie ist eine moderne Form des Heldenweges.

GASTGEBER: Eigentlich wollte ich mit meiner Bemerkung auf eine im Moment sehr aktuelle Serie hinweisen: „Mr. Robot“. Da gibt es auch einen Vatermord und Psychotherapie. Was haltet ihr davon?

THERAPEUT: Elliot hat eine dissoziative Identitätsstörung (multiple Persönlichkeitsstörung). Er visualisiert seinen schon lange verstorbenen Vater und wirft diesen aus einem Fenster. Ich glaube nicht, dass es ein Vatermord ist. Elliot hat seinen Vater zu einer Zeit verloren als er diesen noch gebraucht hätte. Er will ihn durch seine Aktivität in einer anarchistischen Hackergruppe rächen. Meinem Empfinden nach will er eher die Halluzinationen loswerden als den Vater. Der Verlust war sein Trauma, nicht der Vater selber. Die Visualisierungen sind Ausdruck der unerfüllten Sehnsucht nach dem Vater. Dieses Trauma will er loswerden, in der Hoffnung dadurch den Vater wieder zurück zu bekommen.

(lange Pause)

GASTGEBER: Wir besprechen das Thema Vatermord mit Geschichten aus Oper und Film, kennt jemand von uns auch ein Beispiel aus der Realität? (in die Runde) Hat jemand einen Fall aus der Praxis?

THERAPEUT: Ja, ich habe in meiner Praxis etwas Eindrückliches erlebt.

GASTGEBER: Es ist für uns interessant, auch ein Ereignis aus dem realen Alltag zu hören. Gerne gebe ich dir das Wort.

THERAPEUT: (langsam) Ich habe eine Frau behandelt, die in einen Vatermord verwickelt war. Sie lebte mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einer entlegenen Berghütte. Ihr Mann war gewalttätig gegenüber ihr und gegenüber ihrem Sohn. Der Ehemann misshandelte vor allem die Frau auf sadistische Weise. Eines Tages eskalierte die Situation, der Sohn tötete den Vater mit einer Axt. Er wollte in diesem Moment sich und die Mutter retten. Im nachfolgenden Strafverfahren hat sich die Mutter als Täterin ausgegeben. Mit dieser Lüge wollte sie ihren Sohn retten. Später vor Gericht kam die Wahrheit ans Licht. Die Mutter kam ins Gefängnis und der Sohn in ein Erziehungsheim. Das ist ein Fall, wo der richtige Vater real umgebracht wurde, man kann es also ein Patrizid durch Mord nennen. Er war aber nicht nur Vater, er war auch ein Gewaltherrscher, Unterdrücker und Missbraucher. Der Mord hatte also auch die Bedeutung einer Befreiung und ist somit ein Vatermord im wörtlichen Sinne und im übertragenen Sinne.

YODA: (mit verkniffenem Blick) Hm, hm, eine schlimme Situation das ist. Nicht immer so dramatisch mit realem Todschlag das sein muss, wenn eine Vaterfigur überwunden wird.

THERAPEUT: Vergessen wir nicht, der psychologische Begriff „Vatermord“ kann auch rein symbolisch gemeint sein. Es kann auch darum gehen den Vater oder eine Vaterfigur zu besiegen, um selber den Platz des Vaters einnehmen zu können.

GASTGEBER: Das wird sehr schön mit Schalk und Humor in der Fernsehserie „Frasier“ gezeigt. Frasier, ein Psychiater, möchte seinen Vater im Schach besiegen und das gelingt ihm nicht. Er bespricht sich mit seinem Bruder, der auch Psychiater ist. Daraus entsteht ein witziger und tiefsinniger Dialog, der sehr gut unser Thema beleuchtet. Eine Parodie mit Humor und doch so tiefem Verständnis für unser Thema. Ich zeige Euch diese Szene, um dieses schwierige aufwühlende Thema aufzulockern.

Aus der Serie “Frasier”. Staffel 3 Episode 18: “Schach dem König” (Original “Chess Pains”). Frasier will unbedingt gegen seinen Vater im Schach gewinnen. (© CBS Studios Inc.)


GASTGEBER: Das hat uns auf eine leichtfüssige Art viele wichtige Informationen gegeben, um weiter an unserem Thema zu arbeiten.

THERAPEUT: Die zwei Brüder im Dialog sagen alles Wichtige: der Vater will überwunden werden und dann wird man selber ein Vater, der überwunden werden will. Der Wunsch den Vater (oder Vaterfigur) zu überwinden löst Schuldgefühle aus. Dieser Wunsch und die Schuldgefühle bilden einen bedrohlichen inneren Konflikt. Man beachte, auch Psychiater tun sich schwer mit diesem Thema. (leise vor sich hin) Oder ist es sogar eins der möglichen Motive diesen Beruf zu wählen? (wieder in den Raum gerichtet) Niemand wird verschont von diesem Thema.

RAMANA: Wer will Vaterfigur sein? Das ist hier die Frage.

>GASTGEBER: Ich möchte gerne noch eines der wichtigsten Beispiele aus der klassischen Literatur erwähnen: „Die Gebrüder Karamasow“ von Fjodor M.Dostojewskij.

THERAPEUT: Das passt sehr gut zum Kommentar im gezeigten Filmausschnitt zum Thema Schuldgefühle. Bei Dostojewskij ist einer der Brüder direkt am Vatermord beteiligt, aber alle drei Brüder fühlen sich gleichermassen schuldig, weil sie alle diesen Wunsch mit sich getragen haben. Also, wir sehen, schon nur der Wunsch den Vater beiseite zu schaffen oder zu überwinden, löst Schuldgefühle aus.

Der ausgeführte Vatermord wird zu einer realen Schuld, der Wunsch danach wird zu einem Schuld-Gefühl.

ANALYTIKER: In jeder Form von hierarchischer Struktur entsteht der Wunsch nach Befreiung, um die eigene Persönlichkeit besser entfalten zu können. Die so entstehenden Schuldgefühle sind prägend und Ursache von Neurosen.

GASTGEBER: Familie, Gesellschaft, Politik, religiöse Gruppe, Vaterfiguren wollen überwunden werdend. Das ist immer wieder Thema in der Kunst und das wird manchmal auch zur Realität. (nachdenklich) Auch Sektenführer können mittels Intrigen und Verrat gewaltsam von der Macht entfernt werden, um Platz für einen neuen Leader zu machen.

RAMANA: Kollege Baghwan war so ein Fall.

GASTGEBER: Genau an ihn habe ich gedacht. Er wurde von seinen eigenen Gefolgsleuten um seine Macht und Ehre betrogen. Es waren nicht seine Kinder, sondern seine engsten Vertrauten. Sein Ruf wurde beschädigt, sein Werk zerstört. Er wurde von denen, die ihm am nächsten standen, vom Thron gerissen. Es ist umstritten, wie das alles abgelaufen ist und worum es überhaupt ging. Das war doch irgendwie auch eine Form von Vatermord?

THERAPEUT: Er war eine dominante Vaterfigur der Hierarchie und Unterwerfung einforderte und sich selber als Vaterfigur inszenierte. Das kann man sicher als Vatermord betrachten. Seine Jünger war die Generation, die alles was Vater bedeutet überwinden wollte ….

YODA: (fällt ins Wort) …. um sich dann in Indien einer Pseudovaterfigur zu unterwerfen!

THERAPEUT: Ging es bei dessen Sturz nur um Macht und Geld oder um Rache, das ist im Falle Baghwan eben nicht so klar. Häufig ist es ja eine Mischung von verschiedenen Gefühlen und Motiven.

GASTGEBER: Wenn das heutige Thema die reine Rache wäre, hätten wir den Schriftsteller Alexandre Dumas einladen müssen, um über „Der Graf von Monte Christo“ zu reden oder mit den Machern von der Fernsehserie „Revenge“. Die beiden fiktiven Geschichten sind spannend und unterhaltsam. Dort wird auch eine übermächtige kränkende Figur mit viel List und Tricks überwunden.

THERAPEUT: Im Roman „Der Graf von Monte Christo“ rächt sich Edmond Dantes an verschiedenen Personen, welche durch eine Intrige seine Liebe, Existenz und seinen Vater zerstört hatten. Die Idee wurde in „Revenge“ übernommen. Die Hauptfigur Amanda Clarke rächt sich an einer mächtigen Familie. Ihr Vater David Clarke wurde von dieser Familie zerstört und Amanda wurde von ihrem Vater getrennt. (pause) Die Rächer müssen also nicht den Vater überwinden, sondern im Gegenteil: Sie rächen sich, weil man ihnen den geliebten Vater weggenommen hat.

GASTGEBER: Wir haben über Befreiung und Rache gesprochen. Wenn beides zusammenkommt, denke ich an „Tyrion Lennister“. Nun beeile ich mich unseren Ehrengast Tyrion zu begrüssen, (lächelt) solange er noch nicht zu betrunken ist. Wir kennen ihn aus unserem Salon zum Thema Schicksal. Tyrion ist eine Hauptfigur in der Fernsehserie „Game Of Thrones“. (schaut in die Runde) Nebenbei gesagt: es ist ein Gast hier, der mir anvertraut hat, er sei heute vor allem wegen Tyrion gekommen. (schaut zu Tyrion) Lieber Tyrion, Ich möchte Dich bitten, deine Geschichte zum Gegenstand unserer Diskussion zu machen.

TYRION: (lachend) „Es ist nicht einfach, immer betrunken zu sein. Jeder würde es tun, wenn es einfach wäre“ (Originalzitat). (Pause) Besten Dank für die Einladung. Ja, ich kann zum Thema Vatermord mitreden, mein Schicksal passt zum heutigen. Ich muss etwas ausholen.

GASTGEBER: Nur zu, wir haben Zeit und Interesse.

TYRION: Es geht um die Beziehungen zu meinem Vater Tywin Lannister und zu meinem Neffen Joffrey Baratheon. Die Beziehung zu meinem Vater war von Anfang an gestört. Ich wurde als Kleinwüchsiger geboren und meine Mutter starb bei meiner Geburt. Ich fühlte mich von meinem Vater nie als Sohn anerkannt, noch schlimmer: er beschuldigte mich für den Tod meiner Mutter. Ich hatte immer das Gefühl, er wünsche sich meinen Tod. Mein Neffe Joffrey war König, aber ein unreifer arroganter Mensch, ein verwöhntes Muttersöhnchen, der immer wieder seine Macht in sadistischer Weise missbrauchte. Ich war einer der ganz wenigen, die sich getrauten, ihm zu widersprechen und ihm Grenzen zu setzen.

THERAPEUT: (unterbricht ihn) Aha, so wurdest Du für ihn zu einer Vaterfigur. (nachdenklich) Vielleicht hatte er vorher noch nie eine bedeutende Vaterfigur im positiven Sinne haben können.

YODA: Muttersöhnchen mit Vaterfiguren schwierig es haben. Es gibt Unterwerfung oder Machtkampf, sie haben Mühe zu lernen!

Sie glauben Prinzen im Königreich ihrer Mutter zu sein reiche aus, um Könige der Welt zu werden.

GASTGEBER: (leise vor sich hin und mit Augenzwinkern) Warum schweigen unsere Referenten so betroffen?

RAMANA: Wer schweigt hier?

(Pause, dann zeigen alle aufeinander und lachen)

GASTGEBER: Tyrion, erzähl weiter.

TYRION: (aufgeregt) Das schlimmste für Joffrey war, dass ich Zeuge seines Versagens und seiner Unfähigkeit wurde. Ich konnte die Stadt vor einem Angriff retten, während er feige bei seiner Mutter Schutz suchte, obwohl er eigentlich als König die Soldaten hätte anführen müssen.

THERAPEUT: Umso mehr musste er dich überwinden und bezwingen, aber das konnte er nur auf seine sadistische Weise.

YODA: (lächelnd und mit erhobenem Mahnfinger zu Therapeut gewandt) Tyrion weiter erzählen du lassen sollst, sonst auch du zu jemanden wirst, den man überwinden muss.

TYRION: So kam es auch. An seiner Hochzeitsfeier rächte er sich, indem er versuchte, mir die Würde zu nehmen. Er demütigte mich vor allen Leuten und behandelte mich auf sadistische Weise. An dieser Feier wurde er von Olenna Tyrell, die „Queen of Thorns“, vergiftet. Während seines Todeskampfes zeigte er auf mich, damit wurde ich zum Hauptverdächtigten für den Königsmord. Da mich ja sowieso alle loshaben wollten, hat niemand sich um genauere Abklärung des Falles bemüht, und ich wurde von meiner Schwester, Joffreys Mutter, vor Gericht gebracht.

THERAPEUT: Die gedemütigte Vaterfigur!

GIACOMO: (nachdenklich vor sich hin) Mein Scarpia wurde nicht vor Gericht gestellt, er wurde sofort erdolcht …. während einer sinnlichen Umarmung …. was für ein Schmerz muss das gewesen sein ….

>THERAPEUT: Joffrey, ein kleiner harmlos aussehender unreifer Junge und sensibles Muttersöhnchen, ist das personifizierte Böse, während der trinkende, fluchende und herumhurende Tyrion ein intelligenter und mutiger Krieger ist.

YODA: (leise) Hm, hm, der harmlose Junge auf der dunklen Seite der Macht ist, während der eigensinnige Gnom auf der guten Seite ist. (pause, dann laut) Die Erscheinung nicht immer dem inneren Wesen entspricht.

RAMANA: (nickt) Es können ganz unterschiedliche und widersprüchliche Anteile zum selben ICH gehören. Es gilt immer wieder die Frage zu stellen: “Welcher Teil ist jetzt gerade in Erscheinung getreten?“

>GASTGEBER: Lasst Tyrion weitererzählen.

>TYRION: Jetzt kommt mein Vater ins Spiel. Bei der Gerichtsverhandlung war er der Vorsitzende, und er verurteilte mich zum Tode. Er hatte meine Geliebte Shae als Zeugin aufgeboten. Diese sagte gegen mich aus und bestand darauf, ich sei der Mörder gewesen.

>THERAPEUT: (erschrocken) Sie hat dich einfach so verraten?

TYRION: Nein, auch das hat eine Vorgeschichte. (Zögert, sichtlich betroffen und trinkt hastig einen Becher Wein)Auch, wenn Shae eine Hure gewesen war, habe ich sie geliebt, und ich war ihr auf meine Art treu. Mein Vater aber verbot mir, sie in die Stadt mitzunehmen, weil sie nicht standesgemäss sei. Also musste ich sie versteckt halten. Dies führte zu grossen Spannungen zwischen Shae und mir. Mein Vater verlangte von mir die Heirat mit Sansa Stark, aus strategischen Gründen. Ich machte Shae zu ihrer Kammerzofe, damit ich sie in meiner Nähe behalten konnte. Das ging schief und die Situation eskalierte zunehmend. Aus Sorge sie könnte von meiner Familie getötet werden, organisierte ich ihre Flucht. Meine ungewollte Heirat und ihr Gefühl, ich wolle sie loswerden, waren für sie eine unerträgliche Kränkung. Vor Gericht rächte sie sich dann an mir.

THERAPEUT: Durch deinen Stand hast du ihr einen Platz in der Gesellschaft gegeben. Mit deiner Liebe und deinem Respekt hast du ihr viel Würde gegeben. Durch die Ereignisse fühlte sie sich wieder als Hure degradiert und fühlte sich beschämt. Diese Kränkung hat ihre narzisstische Wut ausgelöst, und sie musste den vorherigen Liebhaber und Gönner, welcher auch eine Form von Vaterfigur war, zerstören. Es ist eine Mischung aus Rache und Vatermord.

RAMANA: Allen wurde die Würde genommen.

GASTGEBER: Wie kam es dann zum Vatermord?

TYRION: Nach der Verurteilung wurde ich ins Gefängnis gesteckt. Mein Bruder organisierte meine Befreiung. Als ich aus meinem Kerker floh und mich am Zimmer meines Vaters vorbeischlich, entdeckte ich meine Geliebte Shae im Bett meines Vaters. Die Frau, die er mir verboten hatte, hat er dazu gebracht einen Meineid gegen mich zu leisten, um sie dann zu sich ins Bett zu nehmen. Das war zu viel für mich. Ich habe Shae erdrosselt. Danach habe ich meinen Vater mit seiner eigenen Armbrust getötet.

THERAPEUT: Was waren eure letzten Worte?

TYRION: Er behandelte mich zynisch wie immer:

„Ich habe Shae geliebt und sie jetzt aber mit eigenen Händen getötet.“
„Das ist doch vollkommen egal, sie ist eine Hure gewesen. Tötest du deinen Vater auf dem Abort wegen einer Hure?“
„Ich bin dein Sohn und du hast mich zum Tode verurteilt – wieso?“
„Komm wir gehen in mein Gemach.“
„Ich kann nicht, weil sie dort liegt.“
„Hast du Angst vor einer toten Hure?“

Als er Shae zum zweiten Mal Hure genannt hat, habe ich den Pfeil geschossen.

(lange Pause, betroffenes Schweigen) 

GASTGEBER: Ich zeige euch Tyrions Patrizid in einem kleinen Filmausschnitt dieser Stelle aus der Fernsehserie „Game of Thrones“:

Filmausschnitt: „Game of Thrones“, Fernsehserie vom Sender HBO. Die Geschichte basiert auf Büchern von Georg J.J. Martin. Dieser Ausschnitt ist aus: S04E10 Die Kinder. (© 2014, HBO)


THERAPEUT: (zu Tyrion gewandt) Das heisst, er hat deine Geliebte gekränkt und eure Beziehung zerstört.

TYRION: Ja, und es war nicht das erste Mal. Er hat auch meine erste Ehe zerstört. Meine erste grosse Liebe war eine bürgerliche Frau, was meinem Vater nicht gefallen hat. Er hat sie und mich auf schändlichste Art gekränkt und unsere Beziehung zerstört.

THERAPEUT: Der immer wieder Gekränkte Tyrion. Die dauernde Wiederholung einer Kränkung ist das schlimmste in einer Beziehung. Da wachsen die Aggressionen langsam und stetig.

Kränkungen machen krank.

THERAPEUT: Der Vater Tywin Lannister hat seine Frau verloren und erlaubt seinem Sohne Tyrion nicht, eine glückliche Liebesbeziehung zu haben.

YODA: Er dem Sohn zerstört, was ihm vom Schicksal zerstört wurde.

GASTGEBER: Danke Tyrion für deinen Beitrag.

THERAPEUT: (nachdenklich) Tyrion, das besondere an deiner Geschichte ist meiner Meinung nach, dass alle Facetten des Vatermordes sich in deiner Figur bündeln: Zuerst wirst du von Joffrey als unfreiwillige Vaterfigur zerstört. Danach wirst du von deiner gekränkten Geliebten, für welche du so etwas wie eine Vaterfigur warst, verraten und in den Tod geschickt. Dann wirst du fälschlicherweise als Königsmörder – und somit auch Vaterfigur-Mörder – zu Unrecht verurteilt. Nach all diesen Kränkungen, wirst du zum Vatermörder im eigentlichen Sinn. Alles in ein und derselben Figur, das braucht eine gute Resilienz. Du hast einen ganz besonderen Schicksalsweg, und wir freuen uns auf deinen Besuch im Salon zum Thema Schicksal.

YODA: Auch bei mir Freude ist, mehr zu hören. Dein Wesen und dein Leben scheinen eine besondere Mischung von widersprüchlichen Gefühlen zu sein. In der Mitte eines sehr bewegten Feldes du bist.

RAMANA: Wer ist der eigentliche Tyrion in der Mitte dieses bewegten Feldes?

(Alle sind ruhig und laufen herum, holen etwas zu trinken und nach einer langen Pause steht Gastgeber auf und schaut in die Runde)

GASTGEBER: Wir haben eine Pause gebraucht und sind von all diesen eindrücklichen Ereignissen sehr betroffen. (Pause) Ich möchte gerne zur Tosca zurückkommen. Wir möchten gerne hören, wie es bei ihr weitergeht. Nach all dieser Dramatik warten wir alle auf eine Auflösung. Es stellt sich ja die Frage nach dem verborgenen Sinn, von all diesen Geschichten mit so viel Leid. Giacomo, erzähl uns weiter von deiner Tosca.

GIACOMO: Tosca ist auch voller Zorn und verwirrt.

YODA: Aus der langen Ohnmacht ein Machtrausch entsteht.

GIACOMO: Ja, das ist anscheinend so. Als Scarpia langsam stirbt, beschämt Tosca den Sterbenden noch zusätzlich:

„Erstickst du im Blut? Ah! Und von einer Frau getötet …. Hast du mich genug gequält? …. Stirb, Verdammter! Stirb! Stirb! …. Ersticke in deinem Blut!“

Ihr seht, da ist viel Wut dabei und Aggression, sie hat ja auch existentielle Angst um sich und um den gefangenen und gefolterten Geliebten.

ANALYTIKER: (aufgeregt) Wunderbar, das hast du in der Oper sehr schön aufgezeigt, es ist diese unbändige befreite Wut, die es braucht, um den Vatermord zu begehen. Bei der Intensiven Psychodynamischen Kurzzeittherapie nach Davanloo geht es genau darum. Der Therapeut verstärkt die Wut des Patienten durch eine ständige Konfrontation mit seinem Verhalten dem Therapeuten gegenüber. Die sogenannte Übertragungsgefühle – das sind die Gefühle, die der Patient dem Therapeuten gegenüber empfindet – werden angeregt und verstärkt. Wenn es gelingt, wird der Patient so wütend, dass er aggressive Gedanken gegenüber dem Therapeuten ausspricht. Der Patient will sich vom Therapeuten befreien.

GIACOMO: Also auch hier wird nicht der eigentliche Vater beseitigt, es ist nicht mal eine unterdrückende Vaterfigur. Ich begreife immer noch nicht ganz, was das soll.

ANALYTIKER: Es geht um die Übertragung: der Patient empfindet in diesem Moment gegenüber dem Therapeuten die unbewussten Affekte, die er damals gegenüber einer Urfigur, das kann zum Beispiel der Vater sein, empfand, als er diese starken Emotionen noch nicht bewusst erleben konnte. Das Kind war in einer Position ohne Möglichkeit, die starken Affekte zu ertragen oder sich gegen Kränkungen zu wehren. Die Wut über die Kränkung und die Schuldgefühle für den Wunsch, das Kränkende zu zerstören, wurden damals ins Unbewusste verdrängt. So entsteht die Grundlage für die Entwicklung einer Neurose.

RAMANA: Nochmals langsam der Reihe nach. Zügelt eure Begeisterung für die eigenen Gedanken und eure Angst, eine Vaterposition teilen zu müssen und nicht der einzige Vater im Raum sein zu dürfen.

THERAPEUT: Ich versuche mal Ordnung zu machen: Wir Menschen haben aus frühester Zeit Erlebnisse und Verletzungen sowohl als Erinnerungen und auch als Emotionen abgespeichert. Das geschieht bewusst oder unbewusst, aber so oder so prägt es unser inneres Bewertungssystem.

YODA: Dieses Bewertungssystem alle Wahrnehmungen interpretiert, die wir im Hier und Jetzt haben.

THERAPEUT: Begegnen wir in einer aktuellen Situation etwas, das dem Erlebten von früher ähnlich ist, werden die alten Emotionen in uns aktiviert. Es ist wie eine App auf deinem Smartphone, die angeklickt wird und beginnt, das Geschehen zu beeinflussen. Es spielt keine Rolle, ob das ein Therapeut oder ein aktueller Peiniger ist. Es kann auch eine geliebte Person sein, die aus den aktuellen Umständen als Übermacht erlebt wird. Wenn die Applikation läuft, geschieht das Unheilvolle und die aktuelle Realität wird vermischt mit Emotionen die zu einem früheren Geschehen gehören. Unser Verhalten wird davon geprägt und die Art, wie wir die aktuelle Beziehung gestalten, wird von diesen alten Gefühlen beeinflusst. Bei einer Oper ist das alles sehr explizit und ausgelebt.

ANALYTIKER: (zum Therapeut gewendet) Es ist genauso wie du gesagt hast. In der psychodynamischen Psychotherapie wird dieser Umstand gebraucht. Diese Gefühle werden in einem Rahmen reaktiviert, in welchem diese dann gezielt betrachtet werden können. Der Therapieraum wird zu einem geschützten Raum: die bewusst gewordenen Gefühle können betrachtet und eingeordnet werden.

YODA: Der Therapieraum ein Aquarium ist.

GIACOMO: Aber muss es denn Mord sein? Den Vater ermorden? Meine Tosca tötet um sich und den Geliebten zu retten, macht sie das nicht, werden sie beide von ihm umgebracht. Da geht es doch um nacktes Überleben!

YODA: (mit verkniffenen Augen und schelmischem Lächeln) Wenn gut die Beziehung des Kindes zu den Eltern gewesen war, der Erwachsene später nicht sitzen muss bei euch Therapeuten!

THERAPEUT: (lacht) Und wenn er dann bei uns sitzt, arbeiten wir auf einer metaphorischen Ebene. Mit Mord ist nicht unbedingt Mord gemeint. Mit Vater ist nicht unbedingt der leibliche Vater gemeint. Es geht um die Repräsentation dessen, was Vater bedeuten kann. Vater heisst Macht und Wert. Es geht um das Überwinden einer Übermacht. Das, was Macht über mich haben will und somit meinen eigenen Raum oder Wert zerstört. Davon müssen wir uns los kämpfen, um einen eigenen Raum zu bekommen, in welchem wir unseren Wert erleben können. Es geht um das Überleben der Eigenart, die Konsolidierung des eigenen Wesens, die Wiederbelebung der erstickten Libido.

Es geht um den Selbstwert, diesen können wir uns nur selber geben.

YODA: Durch die Befreiung die gute Seite der Macht gefunden wird.

THERAPEUT: Was Yoda „die gute Seite der Macht“ benennt, ist in meinen Worten der Selbstwert.

GIACOMO: Langsam verstehe ich besser, meine Tosca wollte ja einen Passierschein für sich und ihren Liebsten, um wegzuziehen aus der Gefangenschaft in ein eigenes Leben. Diesen Passierschein sucht sie nach dem Dolchstoss verzweifelt. Das bedeutet, sie wollte sich befreien aus einer Situation, in der sie machtlos und entwertet war!

ANALYTIKER: Und jetzt kommt die mir so wichtige Stelle.

THERAPEUT: Genau, Giacomo erzähl weiter, auf diese Stelle freue ich mich.

YODA: Hm, Hm, Freude auf diese Stelle auch bei mir ist.

GIACOMO: Der erdolchte Polizeichef liegt tot auf dem Boden. Tosca schaut den regungslosen von jeglicher Macht Befreiten an und sagt:

„Jetzt, wo du tot bist, kann ich dir verzeihen.“

Nach einer Pause:

„Vor diesem Mann hat ganz Rom gezittert.“

(Langes Schweigen, niemand spricht.)

THERAPEUT: Er verliert die Macht. (pause) Sie ehrt den Toten.

YODA: Durch den Tod der Übermächtige aus der dunklen Seite der Macht heraus kommt, und ein neuer Raum für die gute Seite der Macht entsteht. Der gestorbene Mensch ist immer auf der guten Seite der Macht. Tosca von dieser Liebe ergriffen wird und darum sie verzeiht.

GASTGEBER: Ich verweise auf das wunderschöne Bild auf unserer Einladung, wo Tosca ein Kreuz auf den am Boden liegenden Scarpia legt. („Tosca und Scarpia“. Das Bild ist aus Wikipedia (public domain). Das Original ist aus dem Buch: „Victrola Book Of The Opera”, USA 1919.)
Ich zeige euch in einem kleinen Filmausschnitt diese Stelle aus einer Aufführung an der Mailänder Scala:

Filmausschnitt: „Tosca“, Oper von Giacomo Puccini. Aufnahme aus dem Teatro alla Scala, Milano. Riccardo Muti, Maria Guleghina, Leo Nucci. (© 2002, Euroarts. Rai-Trade)


THERAPEUT: Siehst du Giacomo, jetzt hat sie eigene Macht und einen eigenen Wert bekommen und sie kann aus diesem Selbstwertgefühl heraus ihrem Peiniger verzeihen.

ANALYTIKER: Deine Tosca söhnt sich mit ihrem Peiniger aus und das erst, nachdem sie diesen umgebracht hat. Das ist für mich der Kernpunkt der Metapsychologie des Vatermordes. Es geht schlussendlich nicht um den Mord, es geht um das Verzeihen, um die Aussöhnung. Die endgültige Befreiung aus der Abhängigkeit, wird durch Aussöhnung möglich.

Aussöhnung ist die Mutter der Emanzipation.

GAST: (ärgerlich) Kann das jemand übersetzen?

THERAPEUT: Wir glauben, Autonomie zerstöre die Bindung und daher macht uns der Wunsch nach Autonomie Schuldgefühle.

ANALYTIKER: Diese Schuldgefühle schaffen aber nur wieder neue Abhängigkeit. Real ist es so, dass wir besser Bindungen eingehen können, wenn wir autonom sind. Daher ist eines der wichtigsten Ziele der Psychotherapie die Befreiung aus alten Schuldgefühlen. Die Autonomie wird gestärkt und die Bindungsfähigkeit verbessert.

Bindung und Autonomie bedingen sich.

THERAPEUT: Verzeihen kann ich nur, wenn ich autonom bin und Verzeihen wiederum hilft mir, autonom zu werden. Sich aussöhnen können ist eine sehr wertvolle Bindungsqualität und eine selbstwirksame Befreiung. Die Emanzipation entsteht aus der Fähigkeit loszulassen und sich aussöhnen zu können. Ansonsten bleiben wir durch Schuldgefühle, Ressentiments und Groll gefangen.

YODA: Um das zu erreichen mein Schüler Luke später noch gegen den richtigen Vater kämpfen muss.

THERAPEUT: Also nicht nur gegen eine Vision seines internalisierten Vaters, wie auf in der Höhle auf dem Planeten Dagobah. Wie ist es dazu gekommen?

YODA: Die Nähe seines Vaters gespürt wird, und dass ein Kampf kommen wird. Überzeugt er ist, dass er den Vater überwinden muss, um alle zu retten. Gleichzeitig er spürt, dass auch der Vater von ihm gerettet werden will.

„Ich muss mich ihm stellen“
„Weshalb?“
„Er ist mein Vater!“
„Aber warum willst du das auf dich nehmen?
„Weil ich spüre, dass das Gute in ihm noch nicht erloschen ist.“

GASTGEBER: Ich zeige euch einen kleinen Filmausschnitt wie Luke Skywalker seine Motivation erklärt in einer Stelle aus dem Film „Star Wars Episode VI“:

 

Filmausschnitt: „Star Wars“, Heldenepos von Georg Lukas. Ausschnitt aus der FolgeVI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter. (© 1983 Georg Lukas)


THERAPEUT: Das Überwinden der Vaterfigur ist auch für den Vater wichtig, auch dieser muss loslassen. Nur so kann für beide ein Neuanfang beginnen. Der Sohn rettet sich und den Vater, denn die Abhängigkeit ist gegenseitig.

Abhängigkeit und Freiheit, beides wird durch Beziehung bedingt.

THERAPEUT: Kommt es zum Kampf?

YODA: Ja, und er tut dies mit grosser Wut und Leidenschaft. Als er den Vater im Kampf besiegt und dieser wehrlos vor ihm liegt, fordert der Imperator Luke auf, den Vater zu töten, um dessen Platz als rechte Hand des Imperators einzunehmen. Luke kann der Versuchung widerstehen und wird daraufhin vom Imperator bekämpft. Der Vater vernichtet mit seiner letzten Kraft den Imperator und rettet damit seinen Sohn. Er bricht zusammen, und im Sterben bittet er Luke, ihm die Maske herunternehmen.

„Ich will Dich mit eigenen Augen sehen“.

THERAPEUT: Im Angesichts des Todes will der Vater seinen Kindern in die Augen schauen und spüren, dass diese das Leben meistern werden.

YODA: Luke hat den Vater als übermächtigen Bösewicht überwunden und glaubt daran, dass er im Innersten gut ist und dass der frühere Jedi-Ritter noch in ihm lebendig ist.

Luke: „Ich will Dich retten“
Vater: „Du hast mich schon gerettet“

Diese Liebe und Güte kann beim Vater die gute Seite der Macht wieder zum Leben erwecken.

Im Angesicht des Todes wird Liebe geboren.

YODA: Die Maske des Bösen fällt weg. Der Vater stirbt, der Sohn mit dem Raumschiff fliehen kann, und mit seinen Verbündeten den Kampf gegen das Imperium er weiterführen wird.

THERAPEUT: Sie schauen sich gegenseitig in die Augen und damit halten beide die Scham für das Geschehene aus.

Durch die Akzeptanz der Scham kommen sie zu ihrem wahren Selbst.

GASTGEBER: Mehr dazu dann im Salon zum Thema Scham.
Ich zeige euch jetzt die Szene wo Luke und Darth Vader sich aussöhnen in einem kleinen Filmausschnitt aus dem Film „Star Wars Episode VI“:

Filmausschnitt: „Star Wars“, Heldenepos von Georg Lukas. Ausschnitt aus der FolgeVI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter. (© 1983 Georg Lukas)


ANALYTIKER: Die Aggression auf das Lebensverhindernde oder Kränkende ist immer mit Schuldgefühlen verbunden. Es ist die Angst vor diesen unbewussten Schuldgefühlen, welche die Neurose am Leben erhalten oder sogar entstehen lassen. Wurde die Aggression ausgelebt und die Scham bewusst, kommt der Wunsch nach Bindung zurück.

YODA: Die befreite Sehnsucht den Wunsch nach Aussöhnung auslöst.

THERAPEUT: Im Fall aus meiner Praxis ging das nicht so gut aus. Der Sohn starb als junger Erwachsener an Alkohol und Drogen. Die Mutter hat unter den Schuldgefühlen gelitten, die sie gegenüber ihrem Sohn hatte. Diese Schuldgefühle haben sie krank gemacht.

YODA: Nicht verzeihen kann, was minderwertig sich fühlt.

RAMANA: Das ICH identifiziert sich selber als Ursache der Gefangenschaft.

ANALYTIKER: Wird die Wut in der Therapiesituation erlebbar, wird das Schuldgefühl bewusst erlebt. Sind die Schuldgefühle ins Bewusstsein gekommen, können diese aufgearbeitet und relativiert werden. Ich wiederhole mich, aber es ist ganz wichtig: Es ist vor allem die Angst vor diesen Schuldgefühlen, die neurotisch macht. Werden diese Schuldgefühle ins Bewusstsein gebracht, hat dies eine befreiende Wirkung.

THERAPEUT: (schaut zu Analytiker) Ja genau, da hast Du recht. Wenn Schuld im Spiel ist, kann man nicht loslassen und sich kaum befreien.

Schuld ist wie Sekundenkleber.

Die erwähnte Patientin konnte ihr Leiden erst dann lindern, als ihre Schuldgefühle bewusst wurden. Interessant ist in diesem Fall, dass diese lebensbehindernden Schuldgefühle gegenüber dem Sohn waren und nicht gegenüber dem getöteten Vater. Sie fühlte sich schuldig, dass sie ihrem Sohn nicht helfen konnte, obwohl dieser mit der Tat sie retten wollte. Erst nachdem die Schuldgefühle gegenüber ihrem Sohn bewusst geworden waren, konnte sie endlich den Trauerprozess beginnen: der Verlust ihres an Drogen gestorbenen Sohnes konnte jetzt erst verarbeitet werden. Nach der Trauer und dem Schmerz gelang es ihr, sich selber zu verzeihen.

ANALYTIKER: Verdrängen oder Wegstecken ist Widerstand und das ist etwas ganz anderes als das Verzeihen. Da geht es darum, die Angst zu vermeiden. Die Versöhnung kommt nach den schmerzhaften Gefühlen, nicht anstelle von diesen.

RAMANA: Wer, oder anders gesagt, welcher Teil von uns ist es, der verzeihen will, verzeihen kann? Das ist hier die wichtige Frage.

Verzeihen heisst Wert geben.

THERAPEUT: Wenn das ICH sich selber verzeihen kann, entsteht Selbstwert. Es ist dieser Selbstwert der ermöglicht, dass man auch dem DU verzeihen kann.

YODA: (bedächtig mit Pausen) Alles miteinander in einer Wechselwirkung steht. Die Fähigkeit zu verzeihen unterstützt den eigenen Wert.

Selbstwert ist gütig —— Güte gibt Selbstwert.

GASTGEBER: Ich muss unterbrechen, sonst geht es ins Unendliche. (lachend) Jeder von Euch hat sehr viel gesagt, und ich bin sicher, jedem von euch hat das, was er selber gesagt hat, am besten gefallen. Ich danke Euch, heute Abend wurde keine Vaterfigur ermordet, und wir haben uns gegenseitig unsere Eitelkeiten verzeihen können, so wurde unser Thema in Würde diskutiert und ein schwieriges Thema hat einen Wert erhalten.

RAMANA: (schaut in die Runde) Erlaubt mir als Schlusswort noch die eine Frage: Wer ist es, oder besser gesagt, welcher Teil von uns ist es, der eine Vaterfigur sein will?

YODA: (zu Ramana) Der, welcher das letzte Wort haben will.

GASTGEBER: (lachend zu Yoda gewandt) Der Meditierende mit dem Laserschwert.

THERAPEUT: (zeigt auf Gastgeber) Ich denke da auch an jemand, der einen Salon betreibt.

GASTGEBER: (auf Therapeut zeigend) Und mir kommt einer in den Sinn, der danach alles in seinem Blog publiziert.

RAMANA: Nun also, wer will das letzte Wort?

GASTGEBER: Zum Ausklingen zeige ich euch einen Ausschnitt aus dem am Anfang erwähnten Dokumentarfilm „Il bacio di Tosca“. Die Bewohner des Altersheimes sind pensionierte Weltstars der Opernbühne. Auch für sie, war Toscas Kuss unvergesslich, sie singen und spielen die Szene immer noch! Beachtet die jugendliche Leidenschaft, die immer noch spürbar ist, auch wenn Stimme und Spiel dem Alter entsprechen. Ich wünsche uns allen, dass wir im hohen Alter immer noch so begeisterungsfähig sein werden!!

Filmausschnitt: aus „Il bacio di Tosca“, ein Dokumentarfilm von Daniel Schmid aus dem Jahre 1984. Der Film porträtiert Bewohner des Casa di Riposo per Musicisti in Mailand, einem Altersheim für Opernsänger. Der Ausschnitt zeigt Pensionäre beim Singen und Spielen der Szene Toscas Kuss. (© 1984 T&C Film AG, Zürich)

This Post Has 4 Comments

  1. Monique

    Lieber Gastgeber,
    herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Salon. Herzlichen Dank auch für dieses äusserst spannende und interessante Gespräch. Sehr inspirierend und auflockernd die Filmausschnitte. Wie Sabine gelüstet es mich Star Wars reinzuziehen :-). Mit diesem Hintergrund werde es sogar ich schaffen ;-).

    Aber da fehlt mir was: wo bleibt der Muttermord?

    Werde aufmerksam und mit Genuss weiter lesend durch diesen genial gestalteten Salon wandern.

  2. Sabine

    Absolut lesenswert – es fällt mir schwer, den Salon wieder zu verlassen! Komme wieder! Und, ich werde demnächst nun doch mal Star Wars und Revenge schauen!!!

  3. Martina

    Köstlich, mehr davon!
    Passt mir sehr gut zum täglichen familiären Ringen um Bühnenpräsenz oder ums iPad, und zu den schicksalshaften Spacetrips und Handlungsebenen unserer Biografien. Die Figuren leben in uns, am Tag, in der Zeit, im Traum, im Weltraum. Danke, Gastgeber, für die Öffnung der Türen zu Deinem Salon, denn es ist eben ganz besonders schön, beim Kasperlitheater (es war schon damals dramatisch) mit etwas Abstand als Publikum zuhören zu dürfen und gebannt den Entwicklungen im Halbdunkel beizuwohnen. Sssssss das Laserschwert direkt auf mich zu saust –––– Yoda ––– jetzt die Erde ruft –––– à la prochaine…

  4. Urs

    Loslösen als zentrales Thema von Elternschaft und Kindsein in einem fulminanten Gespräch diskutiert von moralischen Autoritäten unserer Zeit. Nicht Augustin, Kant oder Nitzsche, sondern Puccini, Yoda und Tyrion Lannister haben das Sagen. Illustriert durch Filmauschnitte, die zur Reflexion anregen. Toll gemacht.

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